Es ist 8:45 in Rom, der Kellner der sich Giovanni rufen lässt, läuft beflissen hin und her um seinen Gästen noch heißen Kaffee nachzuschenken. Kamera, Blitze und Objektiv liegen bereit. Ich fahre mit dem Finger an dem noch die Krümeln meines Croissant kleben, gewissenhaft die Route durch die ich im laufe des Tages mit meinem dritten Auge ablaufen werde. Heute will ich Momente in Rom, für ein Magazin das seinen Sitz in London hat, für die Ewigkeit einfangen. Es handelt sich um ein Onlinemagazin das sich auf urban live fokussiert hat.

Dokumentieren anonymer Figuren, in allgemeinen menschlichen Situation. Die Atmosphäre und der Zeitgeist dieser Stadt sollen im Vordergrund stehen. So will es der Kunde. Oft haben die Kunden bereits bestimmte Vorstellungen wie ihr Produkt, ein Gebäude, eine Person oder eine Situation fotografisch wiedergegeben werden soll, was einen Fotografen sicherlich immer wieder inspiriert aber auch ein wenig einengt oder auch an seine kreativen oder ethischen Grenzen bringt.
Streetfotografie ist Leidenschaft am Leben, wie es ist.
Wer beruflich und gelegentlich oder regelmäßig als Streeart Fotograf arbeitet, hat es selten leicht. Man kämpft sich mit seinen Portfolios von Magazin zu Magazin, um irgendwann einen Auftrag an Land zu ziehen – der dann oft auch richtig schlecht bezahlt ist, und man sich nie sicher sein kann, ob man weit über die Kosten für den Aufenthalt der jeweiligen Stadt wieder reinkriegt. Es ist die Zerrissenheit zwischen den Forderungen des Kunden und den eigenen Vorstellungen, daneben eine stetig wachsende Konkurrenz die das ganze dann noch dramatisch abrundet.

Streetart Fotografie bleibt dennoch eine Leidenschaft, dann auch noch dazu seine Bilder im Licht zu sehen, wow – deshalb nimmt man diese Gegebenheiten in Kauf.Ich zumindest.
Um 9:00 geht es nun nach draußen. Es ist Frühling die Sonne scheint warm und goldgelb und der hellblaue Himmel ist völlig klar. Es könnte nicht besser scheinen, denk ich mir zufrieden. Ich stehe an der ersten Kreuzung, meine Kamera in meiner rechten Hand, das Objektiv das ich für den heutigen Tag gewählt habe ist ein 50mm Objektiv, es wird dafür sorgen, das was ich mit meinen Augen sehe, 1:1 abbilde, und so am Ende das Bild stärker auf den Betrachter wirken wird können und er sich wie “ im Bild “ fühlen wird. Auf eine riesige Tele- Linse verzichte ich meistens immer, Menschen reagieren Sauer ( und das ist verständlich) wenn du dich wie ein Stalker hinter einen Busch auf der Lauer legst und ihn heimlich beobachtest. Ich bin immer sichtbar, die Figuren auf den Bildern haben anschließend Blickkontakt mit mir gehalten. Das gibt mir stillschweigend ihr ok.

Ich überquere die Straße beobachte die Fußgänger, die Auto-, Motorrad- und Fahrradfahrer die an mir vorbeiziehen und ich beobachte die glänzenden schwarzfedrigen Tauben auf dem Boden, die sich vor kleinen Brotklümpchen versammelt haben und streiten wer zuerst beginnen darf. Menschen ziehen an mir vorbei, ich beobachte, wie ich es immer tue. Oberflächlich betrachtet völlig normale Bilder die an mir vorbeiziehen. Oberflächlich.

Nun habe die Wahl: Ich warte auf das Bild des Tages, etwas spektakuläres das sich mir darbietet oder gehe mit kreativen Augen durch die alltäglichen Momente Roms. Das alltägliche als das “ Besondere “ zu betrachten und festzuhalten – das ist die eigentliche Bestimmung und Kunst eines Streetart Fotografen. Alles kann verdammt spektakulär und cool erscheinen, sofern ich es als solches betrachten kann.

Der Blick des Fotografen, seine Wahrnehmung und seine Kreativität, die Atmosphäre im Raum, genauso wie Komposition und Licht spielen in Kombination mit der erlernten Technik die große Rolle in diesem Genre. Denn die Kreativität und das gute Auge des Fotografen, machen aus jeder Situation das Besondere. Alles verdient unsere Aufmerksamkeit,denn oft sind es auch die einfachen, scheinbar unbedeutendsten Momente, die das schönste Foto machen.